Silaturahmi
Von Flüssen und Pflanzen, von Erdböden, Abfällen, Menschen und Essen

Unsere Begegnungen entstanden 2021 dank eines (Online)-Stipendiums des Instituts für Auslandsbeziehungen, und verfestigten sich seither durch verschiedene Projekte, wie z.B. der öffentlichen Installation „Sedekah Benih“ auf dem Waisenhausplatz von Vincent Rumahloine und Mang Dian in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim, „The Sun´s neighbour“ von Endira F. Julianda und Nuri Fatimah beim Quartiersfest 2022, oder der Residenz der „4E“ bei Rakarsa in Bandung im Sommer 2023. Die Ausstellung „Silaturahmi“ präsentiert die Spuren dieser Kollaboration zwischen Bandung und Pforzheim.
Basierend auf den reichen Erfahrungen aus drei Jahren Austausch zwischen Bandung (Indonesien) und Pforzheim (Deutschland) fragen wir uns gemeinsam: In welchem Zustand befinden wir uns, wenn wir etwas Unbekanntem, alt oder neu, begegnen? Manchmal vergessen wir uns selbst, bis jemand mit neuen Visionen zu uns stößt. Oft überraschen uns diese neuen Perspektiven, da sie Stärken oder Schwächen aufdecken, die wir selbst vorher nicht gesehen haben. In Zeiten, an dene wir an beiden Orten vor Herausforderungen stehen, zum Beispiel im Bezug auf den Klimawandel, Vertreibung oder den Verlust von Biodiversität, untersuchen wir „Silaturahmi“ als ein Prinzip, um Beziehungen aufzubauen und wachsen zu lassen.

Die Rhytmen des Alltags während unserer Begegnungen sind die Momente, die in unseren Erinnerungen nachhallen. Wir lernten Perspektiven kennen, die anders sind als unsere, durch das Teilen von Zeit und Raum mit unseren Freunden, Fremden und Objekte, die uns mit der Zeit vertrau wurden. Wir erlebten, wie ein Freund von einem Freund zu Familie werden kann und wie durch das Erleben von gemeinsamen Momenten Solidarität und Freundschaft entstehen. Silaturahmi ist im Sinne dieses Austausches ein Weben von Zeitlinien mit vielen offenen Enden.

Wie können wir uns diesen Zustand, diese gemeinsame Basis bewahren und seine Horizontale Bewegung aufrechterhalten?
Wie können wir den Prozess des Lernens uns Verlernens aufrechterhalten, während wir gleichzeitig gegenseitig unsere Geschichte und Kontexte anerkennen?
Und schließlich, wie können wir einen Raum schaffen, um Zeit miteinander zu verbringen ohne Zeit zu verlieren, und der offen ist für weitere Begegnungen?

Das Konzept „Silaturahmi“ stammt aus der Melayu Kultur, die Indonesien einschließt. Es beschreibt die Essenz des Bewahrens und der Pflege sozialer und familiärer Beziehungen. Ein einfaches Treffen kann man nicht Silautahmi nennen, da die Intention hinter dem Treffen von zentraler Bedeutung ist.
Während unseres Austauschs diente diese Idee als Grundlage, bei der es weniger um konkrete Errungenschaften und das Erreichen bestimmter Ziele geht, sondern der gegenseitige Respekt und der Aufbau nachhaltiger Beziehungen im Vordergrund stehen. In unserem Kontext umfasst Silaturahmi auch die Absicht, Beziehungen zu anderen Lebewesen – menschlich und nicht-menschlich – aufzubauen, ein Bewusstsein, das für die Bewältigung unserer künftigen Herausforderungen notwendig ist.

4E ist ein Pforzheimer Kollektiv (Franziska Lyon, Justus Lietzke, Johanna Heilig, Kosmas Dinh), das an der Schnittstelle von ortsspezifischer Aktivierung und Designmethoden arbeitet. Die Projekte reichen von großformatigen Installationen und öffentlichen Formaten und akustischen Arbeiten und suchen den Kontakt zur Umgebung durch spezifische Materialien. Die Arbeit des Kollektivs wurde maßgeblich geprägt durch Freund*innen und Partner, wie z.B. LAF Leerstand als Freiraum e.V., das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, Sense und den A.K.T; sowie die translokale Zusammenarbeit mit der indonesischen Rakarsa Foundation.

Rakarsa Foundation ist eine Non-Profit-Organisation im Bereich Kunst und Kultur, die 2018 in Bandung, Indonesien gegründet wurde. Das Ziel von Rakarsa ist es, die Rolle künstlerischer Praktiken bei der Wissensvermittlung an eine breite Öffentlichkeit zu stärken. Rakarsa beherbergt und fördert Netzwerke zum Wissensaustausch, die auf informelle Kunstvermittlung und kulturellen Austausch in Form von Ausstellungen, öffentlichen Veranstaltungen oder Bildungsinitiativen ausgerichtet sind. Die Mitglieder von Rakarsa sind Vincent Rumahloine, Endira F. Julianda, Nuri Fatimah, Yori F. Papilaya, Clarissa Tifanny, Gustar Brata und Arsya Ardiansyah.

Das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ist die zentrale Plattform für Pforzheims Kreative. In einem ehemaligen Jugendstilbad an der Enz gelegen, bietet das Kreativzentrum auf einer Fläche von 3.000 Quadratmeter Werkstatt- und Coworking-Arbeitsplätze, Ateliers, Büros und Ausstellungsflächen. Auch die Stadt selbst zeichnet sich durch eine lebendige Kreativszene mit Schwerpunkt auf den Bereich Design aus. Zahlreiche Hochschulabsolventen, Existenzgründerinnen und-gründer, Freelancer und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft arbeiten in Pforzheim und beleben den Standort.

Shelvira Alyya ist eine Künstlerin aus Bandung, die in den Medien Film und Performance arbeitet und sich auf Frauenthemen und Umweltthemen, die die Praktiken von Frauen betreffen, konzentriert. Sie hat vor kurzem ihr Studium der Film- und Fernsehwissenschaften abgeschlossen und interessiert sich für experimentelles Filmemachen und Dokumentarfilme, die gesellschaftliche Themen aufgreifen. Gegenwärtig entwickelt Shelvira ihre Filmpraxis zu umfassenderen Praktiken wie dem erweiterten Kino, das verschiedene Formen von Stand- und Bewegtbildern als Präsentation ihrer Arbeit anbietet.

Nanda Maulana ist ein in Bandung ansässiger Regisseur und Bewegtbildkünstler, der sein Studium im Bereich Film und Fernsehen abgeschlossen hat. Er erforscht experimentelle Spielfilme, experimentelle Dokumentarfilme und pseudodokumentarische Elemente in erzählerischer Metafiktion, um die Kluft zwischen Realität und Irrealität zu überbrücken. Indem er sich auf Themen wie Körperdysphorie und dissonante Reflexion von Identität und Körperbild konzentriert, schafft er einen Raum für den Dialog über die Dissonanzerfahrungen des Einzelnen, wobei jedes Werk als Reflexion darüber dient, wie wir verschiedene Identitäten in einer sich ständig verändernden Gesellschaft verstehen und auf sie reagieren.

Masagi Tjibogo ist eine Gemeinde, die im Jahr 2020 von mehreren Gemeindemitgliedern unabhängig gegründet wurde, um Umweltprobleme und insbesondere die Probleme der Abfallwirtschaft in ihrem Ort anzugehen. Masagi Tjibogo befindet sich derzeit in der Region RW 04 im Dorf Sukawarna im Bezirk Sukajadi. Ihr Augenmerk liegt auf der Durchführung von Aktivitäten, die die Umweltprobleme wirksam angehen und gleichzeitig einen allmählichen und nachhaltigen Wandel in der Einstellung der Menschen gegenüber der Umwelt fördern. Die durchgeführten Aktivitäten bestehen aus der wöchentlichen Reinigung und dem Einsammeln von organischen Abfällen und Plastikmüll von den Bewohnern, die von einer Frauengruppe mit dem Namen „The Power of Mothers and Mothers“ dreimal pro Woche durchgeführt wird. Masagi Tjibogo arbeitet mit verschiedenen Einrichtungen zusammen, darunter Bildungseinrichtungen, Designer*innen, Künstler*innen und lokale Behörden.